„Hey Kurt, was machen wir heute?“, fragte mich Santana und klimperte aufreizend mit ihren Wimpern. Ich musste mir ein Stöhnen unterdrücken. Was wollten die heute alle von mir?
„Ich weiß noch nicht. Vielleicht fahre ich Shoppen oder so“, antwortete ich abwesend und lehnte mich gegen die Wand der Turnhalle. Unsere Klasse hatte heute Coach Silvester in Sport und wir Cheerios mussten nichts machen. Wie immer.
„Soll ich Britt, Quinn und den anderen bescheid sagen? Dann fahren wir alle zusammen!“ Darauf hatte ich eigentlich wieder die geringste Lust, aber wenn ich verneinen würde, würden die es alleine machen und eventuell über mich reden, also..
„Klar, das wird lustig. Ich fahre.“ Santana winkte Brittany zu sich und erzählte es ihr sofort. Ich stand weiter dort rum und starrte Löcher in die Luft, bis Britt ihren Kopf auf meine Schulter legte. Mein erster Instinkt war, sie von mir zu stoßen, doch ich hörte nicht auf meinen Impuls.
„Ich darf doch vorne, neben dir sitzen, oder?“, fragte sie unschuldig und blinzelte zu mir hoch. Ich öffnete den Mund, um zu antworten, doch ich wurde von Santana unterbrochen.
„Ich sitze neben ihm!“ Ich seufzte innerlich auf. Jetzt fingen sie wieder an zu streiten – wegen mir!
„Quinn sitzt neben mir“, sagte ich gelangweilt und beobachtete desinteressiert, wie die anderen von Silvester immer wieder durch die Halle gejagt wurden.
„Aber..“, fing Brittany an, verstummte jedoch sofort. Sie wusste eben, dass man gegen mich nicht ankam.
Als die Stunde für fertig erklärt wurde, verschwand ich ohne jedes weitere Wort aus der Halle. Umziehen musste ich mich nicht, da ich mein Cheerio-Outfit nicht ausgezogen hatte. Alleine ging ich durch die Gänge der Schule – auf dem Weg zur Cafeteria. Die anderen machten mir freiwillig Platz. So war das eben an der Spitze. Man konnte sich einfach alles erlauben. In der Cafeteria setzte ich mich wie üblich an meinen Stammtisch. Den Tisch der Coolen. Footballspieler und Cheerios.
„Hey Kurt“, begrüßte mich Finn, mein Stiefbruder. Ich lächelte ihn an und nickte nur, eher ich mich neben ihm niederließ. Auch er war ein Mittel zum Zweck; Wieder der Zweck, beliebt zu werden (was ich heute, erfolgreich, bin). Als ich erfahren hatte, dass seine Mutter verwittert war, hatte ich einfach ein paar Sachen ins Rollen gebracht und ehe ich mich versah datete mein Vater seine Mutter, meine jetzige Stiefmutter. Als sich das rumgesprochen hatte, hatte sich sowohl sein, als auch mein Ruf verbessert. Er hatte den Kapitän der Cheerleader und ich den Quarterback der Footballspieler als Bruder. Nur leider war Finn immer noch in diesem lächerlichen Glee Club und zu allem übelst auch noch mit dieser Berry zusammen, deshalb musste ich aufpassen, dass er nicht noch mehr abrutschte, denn eigentlich hielt ihn nur sein Aussehen und mich an der Spitze der Schule. Ja, eigentlich sah Finn ganz.. süß aus. Aber er war mein Bruder und eigentlich so überhaupt nicht mein Geschmack. Ich stand nicht so auf größere. Plötzlich schoss mir in den Kopf, dass dieser Junge von Samstag kleiner gewesen war als ich! Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wie kam ich jetzt darauf?
„Kurt, wohin fahren wir denn?“, fragte Quinn, die sich lächelnd neben mich setzte. Ich sah sie verwirrt an.
„Was meinst du?“
„Ähm.. Santana und Brittany erzählen jedem, das wir vier heute Shoppen fahren, also..“ Ach ja, das hatte ich wieder voll vergessen! Heute war definitiv nicht mein Tag.
„Ach so.. Was hältst du von..“ Ja, wohin? Hier in Lima kannte ich alle Läden auswendig, etwas Neues musste mal wieder her… „.. Westerville?“ Was?! Hatte ich das jetzt wirklich vorgeschlagen? Wie kam ich überhaupt darauf? Ich musste dringend zum Arzt.. Quinn nickte strahlend.
„Das hört sich Klasse an!“ Nun kamen auch die anderen Cheerios und den Rest der Footballer. Manche aßen, manche quatschten, nur ich hing meinen Gedanken nach. Meine Gedanken kreisten schon wieder um diesen Jungen.
B.. Brian? Bastian? Boris? Was interessierte mich eigentlich auch sein Name? Was wusste ich eigentlich von ihm? Nur, das er in.. in.. Scheiße! Der Typ wohnte in Westerville! Aber.. warum eigentlich nicht? Vielleicht sah ich ihn ja auch wieder?.. Warum wollte ich ihn eigentlich wieder sehen? Ich kannte ihn doch gar nicht! Himmel…
„Sag Mal Quinn..“, fing ich leise und mit gerunzelter Stirn an. „Kennst du eine Schule in Westerville?“ Sie sah mich kurz überrascht an und überlegte dann.
„Ja, natürlich“, murmelte sie leise und warf mir einen entschuldigen Blick zu. „Unserer Gegner bei den Sectionals kommt aus Westerville.. Eine Jungenschule, Dalton oder so.“
„Ja, das sind die Warblers“, schaltete sich nun auch Finn wieder ein. Mein Stirnrunzeln vertiefte sich. Eine Jungenschule, auch mit so einem komischen Club? Na das konnte ja heiter werden..
„Also Kurt, was ziehen wir an? Wir müssen doch alle farblich zueinander passen, wenn wir nachher ausgehen.“ Santana beugte sich über den Tisch zu mir, damit ich ihr total in den Ausschnitt gucken konnte. Das letzte Wort betonte sie sogar extra noch, damit die anderen Mädels neidisch aufseufzten und die Jungs mir neidische Blicke zuwarfen. Ich grinste sie einfach nur an und verzog keine Miene.
„Auf keinen Fall Orange! Das ist die No-Go Farbe diesen Sommer! Schwarz-Weiß ist wieder in! Also ich würde sagen, ihr Mädchen zieht kurze, weiße Kleider mit schwarzen Schuhen und ich eine schwarze Hose mit weißem Hemd an!“ Wieder ging ein bewunderndes Raunen durch die Leute.
„Kurt, darf ich auch mitkommen? Ich will dich auch in einem Hemd sehen“, sprach mich Taylor, auch eine Cheerleaderin, an. Ich zwinkerte ihr zu.
„Vielleicht ein anders Mal, Babe, mein Wagen hat nur vier Plätze.“ Sie nickte bedauernd und aß weiter ihren Salat (mehr durften wir, als Cheerleader, nicht essen).
„Alter, wie schaffst du es, das diese ganzen Chicks mit dir ausgehen wollen?“, fragte Puckerman mich hinter Finns Rücken. Ich lächelte hinterhältig.
„Geheimnis.“ Er grinste und wandte sich dann auch wieder seinem Essen zu.
Dann war es soweit ruhig am Tisch und ich hing wieder meinen Gedanken nach.. Doch woran dachte ich eigentlich? Es war eine gähnende leere in meinem Kopf –fast schon beängstigend! Also ging ich einfach nochmal meine Englischvokabeln durch. Warum auch nicht?
„Mom? Ich fahre gleich mit den Mädels Shoppen“, rief ich, als ich die Treppen rauf gerannt kam. Ich war kurz unten in meinem Keller gewesen, um mich umzuziehen. Und um nochmal auf das ‚Mom’ zurückzukommen.. Ja, es festigt die Dynamik zwischen mir und Finn, wenn wir die gleiche Frau unsere Mutter nennen, auch wenn Carole niemals den Platz von meiner einnehmen wird. Mama oder Mom ist eben auch nur ein Wort, aber ob man es so meint ist eine andere Sache.
„Ach Schatz, warum bringst du deine Freundin nicht mal mit hierher?“, antwortete sie mir aus der Küche. Ich runzelte kurz die Stirn, während ich in meine weißen Stiefel schlüpfte. Meine Freundin? Klar musste sie das Denken, immerhin ging ich zu Mädchen-Sleepovers, Partys von Mädchen (wo natürlich auch andere Jungs dabei waren), ging mit Mädchen aus.. Welche Frau würde da nicht denken, dass der Sohn eine Freundin hat?
„Vielleicht“, antwortete ich einfach nur knapp, nahm meinen Schlüssel von der Kommode und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Gedanklich war ich bei den Worten von Carole. (Ich dachte in letzter Zeit eindeutig zu viel nach!) Ich hatte schon öfters nachgedacht, mir eine Scheinfreundin anzulegen. Ehrlich gesagt hätte ich da überhaupt kein Problem damit gehabt, einem Mädchen vor der gesamten Schule einen fetten Kuss zu geben, um mein Image aufzupumpen, aber man kennt ja Mädchen.. Die wollen einen immer den Eltern vorspielen, fangen an zu klammern, werden wegen jeder scheiße Eifersüchtig.. Und wollen später Sex! Und genau das ist mein Problem! Ich meine.. Tut mir Leid, aber selbst wenn das heißeste Model über mir liegen würde, würde sich bei mir nichts regen.. Obwohl – doch! Vielleicht würde mein Magen das nicht mitmachen und ich würde der Tussi quer über den Bauch kotzen! Möglich war alles!.. Jedenfalls; aus diesem Grund besorgte ich mir keine Scheinfreundin. (Und an Angeboten mangelte es mir nicht wirklich).
Als erstes holte ich Quinn ab, die in ihrem kurzen Kleidchen schon ungeduldig an der Straße wartete. Lässig hielt ich mit quietschenden Reifen neben ihr und grinste sie an. Als sie einstieg, gab ich ihr einen Kuss auf die Wange, setzte mir meine Sonnebrille auf und fuhr wieder los. Im Radio kam gerade ‚Hollywood Hills’, von Sunrise Avenue und ich summte leise mit. Quinn warf mir einen bedauernden Blick zu.
„Du hättest wirklich bei Glee bleiben sollen, Kurt. Deine Stimme ist wirklich einzigartig.“ Ich runzelte die Stirn und war sofort still. Eigentlich mochte ich es ja zu singen, aber.. Nicht in so einer Losermanschaft.
„Quinn, du weißt doch, das schadet alles…“
„.. deinem Ruf“, beendete sie meinen Satz mit einem seufzen. Ich grinste durch die Windschutzscheibe nach draußen und holte auch noch Santana und Brittany ab, die sich murrend auf die Rücksitze setzten. Dann ging es direkt los nach Westerville. Das Radio lief immer noch auf voller Lautstärke und jeder, an dem wir vorbeifuhren, sah uns hinterher. Als wir in Westerville ankamen, fuhr ich langsamer und sah mich neugierig um. Natürlich, ich war schon öfters hier, aber diesmal.. ich weiß nicht.. suchte ich diesen Jungen? Das würde auch erklären, warum ich jede männliche Person unter die Lupe nahm, an der wir vorbei fuhren. Zuerst viel mir nichts auf, aber je näher wie in die Innenstadt fuhren, sah ich mehr Leute in Schuluniformen. Die Jungen, sowohl als auch die Mädchen.
„Wo sind wir denn hier gelandet? Die Tragen ja alle so’ne Spießersachen“, beschwerte sich Santana hinter mir.
„Wahrscheinlich kommen die Jungs alle von Dalton“, sagte Quinn und starrte aus ihrem Fenster. „Auf ihren Uniformen ist ein D.“
„Das D kann auch für Dumm stehen“, kicherte Brittany. Ich sagte wieder gar nichts, sondern dachte nach. Ging der Kleine (Ich nenne ihn jetzt so, da ich nach wie vor seinen Namen nicht kenne) wirklich auf diese Dalton Academy? So viele Fragen und so wenig Antworten – und das nur wegen einem, kleinen, unbedeutenden Treffen!
Der Tag ging einfach nur brechend langsam vorbei. Ich kaufte mir ein paar neue, crazy Outfits, Hemden, Schuhe und hörte mir von den Mädchen an, wie toll ich doch aussah. Gegen Ende unserer Shoppingtour gingen wir noch in einen Laden, der sich Westar nannte. Nichts besonderes, aber es gab gute Klamotten.
„Hey Kurt, würdest du dich trauen, die Hose anzuziehen?“ Ich drehte mich zu Quinn um, die mir grinsend eine Hautenge, weiße Hose hinhielt. Ich musste mir ein lachen unterdrücken. Die Gute konnte ja nicht wissen, dass mein ganzer Kleiderschrank voll mit Röhrenjeans war.
„Klar würde ich mich das trauen“, sagte ich gut gelaunt, nahm ihr die Hose aus der Hand und zog mich in einer der Umkleidekabinen um. Als ich in den Spiegel sah, schmunzelte ich. Weißes Hemd, weiße Hose, weiße Schuhe.. Sah eigentlich gar nicht so schlecht aus, nur etwas.. schwul.
„Jetzt komm schon raus“, hörte ich die Mädchen von draußen rufen. Ich straffte meine Schultern, legte mein Machogrinsen auf und trat aus der Umkleide.
Und rannte gegen jemanden.
Perplex ging ich ein paar Schritte zurück und begegnete aufs Neue diese verwirrenden, braunen Augen. Ich hatte ihn gefunden. Der Junge sah mich ebenfalls kurz verwirrt an, dann breitete sich ein lächeln auf seinem Gesicht aus.
„Hey, bist du nicht der Junge von Samstag?“, fragte er. Ich lachte in mich hinein. Mich vergisst man eben nicht so schnell.
„Genau, du bist der Kleine, der mir meinen Kaffee übers Shirt geschüttet hat.“ Er zog eine Augenbraue hoch.
„Klein?“
„Du bist kleiner als ich.“ Einen Moment grinsten wir uns nur an, bis meine Mädels kamen. Noch ein weiterer Punkt dafür, dass schwul sein auch seine Vorteile hatte. Jungs nervten nicht soviel wie Mädchen.
„Kurt, wer ist der?“, fragte mich Brittany neugierig. Ich schenkte ihr einen kurzen Blick und sah dann wieder zu ihm.
„Ich weiß es nicht, wer bist du denn?“ Ha! Eine bessere Ausrede gab es nicht, jemanden nach seinem Namen zu fragen, doch der Typ machte mir einen Strich durch die Rechnung. Er wandte sich an Brittany und lächelte sie charmant an.
„Ich bin jemand, der das vergnügen hatte, deinem Freund sein T-Shirt zu versauen.“ Ich stöhnte in mich hinein, während Britt rot wie eine Tomate wurde.
„I-Ich.. bin nicht seine.. F-Freundin“, stotterte sie und senkte den Blick.
„Ich hab keine“, erklärte ich sachlich. Der, dessen Name ich immer noch nicht weiß, warf einen Blick zu Quinn und Santana, die sich ruhig am Rand aufhielten und mich mit meinem Smalltalk alleine ließen – zum Glück!
„Dann bist du wohl eher so ein Aufreißer, ja?“, fragte er wieder leise an mich gewand. Ich grinste schief.
„Eifersüchtig, was?“ Der Junge fing an zu lachen.
„Sollte ich?“ Meine Augen weiteten sich bei diesen Worten. Als er sich umdrehte und den Ausgang zusteuerte, dachte ich schon, er geht nach diesen verwirrenden Worten, doch er drehte sich nochmal zu mir und.. zwinkerte er? „Ich würde die Hose übrigens nehmen – steht dir!“ Und mit diesen Worten verschwand er zum zweiten Mal und ich wusste seinen Namen immer noch nicht!
„Kann es sein, das der Schwul ist oder so?“, fragte Santana, die ihm mit gerunzelter Stirn hinterher sah. Überrascht sah ich sie an.
„Wie kommst du darauf?“
„Der hat doch total mit dir geflirtet“, stimme nun auch Quinn zu. Ich war verwirrt. Hab ich irgendetwas nicht mitbekommen?
„Mir egal.. Ich bin jedenfalls nicht schwul“, lachte ich gekünzelt und legte meine Hand um Brittanys Hüfte. Während die Mädchen sich nun über schwule unterhielten, sah ich zur Tür und grinste. Wenn der Kleine wirklich mit mir spielen will, dann bitte! Ich gewinne jedes Spiel!
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